Pressemitteilung von Kristina Hänel, Fachärztin für Allgemeinmedizin
Prozess gegen Abtreibungsgegner wegen Holocaustvergleich am 21.8. am Landgericht Hamburg
Klaus Günter Annen, der Betreiber der Webseite „Babycaust.de“, zeigt seit Jahren Ärztinnen und Ärzte in Deutschland unter Berufung auf §219a StGB an. Er vergleicht Schwangerschaftsabbrüche mit den Verbrechen des Holocaust. Im Juli 2019 haben meine Anwälte Anzeige auf Unterlassung persönlicher Schmähkritik erstattet. Klaus Günter Annen stellt mich und andere Ärztinnen und Ärzte auf eine Stufe mit den Verbrechern des Nationalsozialismus, die in den Konzentrationslagern Millionen Menschen unter schrecklichsten Bedingungen gequält und getötet haben. Er bezeichnet mich u.a. als „Entartete“. Mit seinen Holocaustvergleichen diffamiert Herr Annen nicht nur uns medizinische Fachkräfte, sondern auch jede ungewollt Schwangere. Sie bekommt vermittelt, dass das, was sie tut, schlimmer sei als die Verbrechen der Nationalsozialisten. Was in den Konzentrationslagern geschah, ist auch Jahrzehnte danach kaum fassbar. Es ist in der Anwendung der systematischen Vernichtung einmalig. Es ist Teil der deutschen Geschichte. Noch gibt es Überlebende, die uns von den Gräueltaten berichten können. Niemand hat das Recht, ihre Geschichten zu verhöhnen. Wie auch nicht die der Ermordeten.
Für mich war letztes Jahr der Punkt erreicht, an dem ich sagte: Es reicht! Es kann nicht angehen, dass ausgerechnet in Deutschland Menschen es wagen, den Holocaust zu relativieren und ihn damit zu verharmlosen. Wir befinden uns dieses Jahr 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. Wir gedenken der Opfer eines Unrechtsregimes. Immer noch ist es unsere gesellschaftliche Aufgabe, uns in Würde und Anstand unserer Vergangenheit zu stellen, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. In diesem Bewusstsein habe ich mich entschieden, Klage auf Unterlassung gegen Klaus Günter Annen einzureichen.
Aufgrund des großen Tabus zum Thema Schwangerschaftsabbruch war das Agieren der Abtreibungsgegner jahrelang nicht im öffentlichen Bewusstsein. Nur Betroffene stoßen auf ihrer oft verzweifelten Suche nach neutralen Informationen, die Ärztinnen und Ärzten ja verboten sind, noch immer häufig und dazu völlig unvorbereitet auf die Webseite „Babycaust“. Annen listet auf dieser ca. 1.200 Adressen in Deutschland auf und stellt Ärztinnen und Ärzte an den Pranger. Die offizielle Liste der Bundesärztekammer, die nach Änderung des §219a StGB im Jahr 2019 eingerichtet wurde, enthält hingegen aktuell gerade einmal 327 Adressen. Ich halte diese sogenannte Reform für vollkommen unzureichend. Das Verbot sachlicher Informationen durch Fachleute ist ein Anachronismus und gehört auf keinen Fall in ein deutsches Strafrecht. Auch die Adressen der offiziellen Liste der Bundesärztekammer wurden von Annen kopiert und in eine blutrünstige Liste umgewandelt, die die dort gelisteten Ärztinnen und Ärzte in Gefahr bringt.
Der Staat hat hingegen die Pflicht, allen Bürgerinnen und Bürgern ein flächendeckendes Netz elementarer Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen, wozu unweigerlich auch die Möglichkeit der Beendigung einer Schwangerschaft gehört. Wenn er diese Aufgabe ernst nehmen will, muss die Tabuisierung des Themas, die Kriminalisierung und Stigmatisierung der Betroffenen und des medizinischen Fachpersonals unbedingt beendet werden. Es zeigt sich, dass mit dem faulen Kompromiss zu §219a StGB die ohnehin schon beständig schlechter werdende Versorgungslage nicht einmal aufrecht zu erhalten ist – von einer Verbesserung kann keine Rede sein.
Der Prozess beim Landgericht Hamburg beginnt um 10.30 Uhr und ist öffentlich. Um 9.30 Uhr wird vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung mit Mund-Nasenschutz und Einhaltung der Abstandsregeln stattfinden. Kurze Reden werden gehalten seitens des Auschwitz-Komitees, Kersten Artus von Pro Familia Hamburg, sowie von Nora Szász und mir als nach 219a StGB angezeigte Ärztinnen.
Ich stehe direkt nach dem Prozess noch für Fragen zur Verfügung.
Kristina Hänel, Fachärztin für Allgemeinmedizin
Liebe Krista Hänel, Ihrer mit jedem Wort treffenden Pressemitteilung habe ich nur noch eins hinzuzufügen: Ich wünsche Ihnen für Ihren Prozess gegen diesen aggressiven Fanatiker durchschlagenden Erfolg. Auch bezüglich des § 219a StGB hoffe ich, dass dieser mittelalterliche, frauenfeindliche und im Grunde völlig lächerliche Krampf bald abgeschafft wird.
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